Was ist los in deutschen Unternehmen – Teil 1

Riesige Potenziale werden nicht gehoben und einfach liegengelassen –
können wir uns das wirklich leisten?

Vorbemerkungen:

Der Blog Wiegands Warte wird aus Beobachtungen bei Firmenbesuchen, durch Projekte bei Unternehmen und durch unser Netzwerk gespeist. Wir möchten damit unsere Erfahrungen, unsere Arbeit im Institut und unsere Beobachtungen einem interessierten breiten Publikum vermitteln.

Dies tun wir, um die riesigen mit der Lean-Philosophie verbundenen Potenziale zu vermitteln und Ihnen als Unternehmer die richtigen Schritte und die damit verbundenen Erfolgsfaktoren aufzuzeigen, damit Sie diese Potenziale heben können.

Darüber hinaus bedeutet es für uns auch Kundenorientierung, denn mit jedem Problem, was uns geschildert wird, oder was wir bei Firmenbesuchen erkennen, können wir uns besser auf die wahren Kundenbedürfnisse einstellen und den anderen immer einen Schritt voraus sein.

Aus dieser Überzeugung heraus und auf vielfachen Wunsch bieten wir auch Ihnen mit der Lean ExChange-Initiative (https://lean-management-institut.de/index.php/lean-exchange), die wir jetzt im 2. Jahr mit Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen durchführen, die Möglichkeit an einem Erfahrungsaustausch direkt teilnehmen zu können.

Von anderen Lernen heißt, Fehler vermeiden, Erfolgsfaktoren begreifen und Anregungen aufnehmen.

Ich glaube, wir können uns es nicht leisten.

In China und Indien werden jedes Jahr mehr Ingenieure ausgebildet als wir in Deutschland überhaupt haben und dann leisten wir es uns, diese riesigen Potenziale nicht zu heben. Weil wir unsere Königreiche, unser funktionelles Denken und unsere Bereichsegoismen nicht aufgeben wollen.

Glauben Sie wirklich, dass wir damit langfristig wettbewerbsfähig bleiben werden???

Ich glaube es nicht!!!

Vor allem, wenn man die Wege schon kennt, um diese Potenziale zu heben.

Fragt man sich, warum diese Potenziale nicht gehoben werden, gibt es mannigfaltige Gründe, die wir wie folgt zusammenfassen können:

  • Einer der häufigsten Gründe besteht darin, dass es in den Gremien bzw. Eigentümerstrukturen Rivalitäten gibt, die sich nicht einigen können und den Status quo erhalten wollen.
  • die Eigentümer, die Erfolgskonzepte, mit denen sie groß geworden sind, nicht verlassen wollen und am Bestehenden, z.B. Personal oder bei Sachthemen festhalten, ohne zu erkennen, dass sich z.B. die Marktgegebenheiten verändert haben.
  • in den führenden Gremien politische Ränkespiele und egoistische, vertragsbedingte Entscheidungen getroffen werden, die nicht das Wohl des Unternehmens, sondern die eigene Position ins Zentrum der Aktivitäten stellt und eifersüchtig darauf geachtet wird, dass sich der Kollege nicht profilieren kann.
  • die bestehenden Königreiche mit allen Mitteln verteidigt werden.
  • in den Gremien gekuschelt wird und Konfrontationen nicht gesucht, sondern unterdrückt werden.
  • die Ziele viel zu gering angesetzt werden, sodass man diese mit Bordmitteln erreichen kann, ohne sich wirklich verändern zu müssen.

Gemeinsam einigt man sich dann auf nebulöse, allerseits akzeptierte Ziele, z.B. ja, wir müssen Lean einführen oder Six Sigma oder Industrie 4.0 oder einigt sich auf diese oder jene Ziele, ohne das Datum zu benennen, wann das Ziel erreicht werden soll.

Darüber hinaus gibt es noch einen Grund, auf den sich immer alle gerne einigen, zurückziehen und damit begründen, warum sie ihre Ziele nicht erreicht haben – den ich aber unter keinen Umständen zulasse:

„Wir haben und hatten keine Zeit dafür. Unsere Führungskräfte und Mitarbeiter sind völlig überlastet.“

Denn genau an diesem Punkt kann man sehr schön arbeiten und eine wirkliche Entlastung der Führungskräfte erreichen.

Fasst man dies zusammen, stellt man fest, dass es wenig sachliche Gründe gibt, diese Potenziale nicht zu heben, sondern es meist persönlich motivierte Gründe gibt, die auf Beharrungsvermögen, Durchsetzen egoistischer Ziele und politische Ränkespiele  zurückzuführen sind.

Was ist mit den Eigentümern und Vorständen? Warum dulden sie Stillstand?

Stillstand bedeutet Rückschritt und in der heutigen Zeit – den Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und an Marktposition.

Denn die möglichen zu hebenden Potenziale sind riesig und werden von den Anderen sicher auf die eine oder andere Weise bald aufgenommen und umgesetzt werden. Diese Potenziale lassen sich nachgewiesenen Maßen alle heben und realisieren.

Diese sind

  • 15 – 20% zeitliche Entlastung der Führungskräfte im administrativen Bereich,
  • 10 – 15% Produktivitätsverbesserung in einzelnen Abteilungen der administrativen Bereiche wie z.B. Vertrieb, Entwicklung, Controlling, Personal, etc.,
  • 10 – 15% Produktivitätsverbesserung durch Wertstromorientierung und Mindsetveränderung in der Fertigung und in den indirekten Bereichen Auftragsabwicklung, Logistik, Instandhaltung und Versand,
  • 15 – 25% Produktivitätsverbesserung durch Prozessorientierung in den administrativen Bereichen von Vertrieb, Entwicklung, Konstruktion, Controlling, Human Ressources, externer Logistik, etc.

1) Entlastung der Führungskräfte

Das Thema wollen alle, aber keiner macht es richtig und führt es konsequent durch. Die Entlastung der Führungskräfte sollte ein Thema sein, an dem alle Führungskräfte im gesamten Unternehmen Interesse haben und davon profitieren könnten. Doch gerade diese Potenziale von 15 – 20% Einsparung der Zeit der Führungskräfte kann nur gemeinschaftlich gehoben werden. Denn die Faktoren, die die Führungskräfte entlasten können, sind Faktoren, die die Disziplin und die Vorbildfunktion aller einfordern.

In den vielen, vielen Unternehmen, in denen ich war, hat es bisher keiner konsequent umgesetzt und diese low hanging fruits eingefahren – außer natürlich dort, wo wir es eingeführt haben. Sorry, das musste jetzt sein.

Es klingt alles so leicht

  • Besprechungsstrukturanalyse
  • Informationsstrukturanalyse
  • Tätigkeitsstrukturanalyse
  • geistige Rüstzeit
  • Ablagesystematik

doch glauben Sie mir, es ist harte Arbeit, kann nicht mal eben so delegiert werden und ist eines der schwierigsten Projekte, die man vor sich hat. Aber es lohnt sich.

Die Alternative: Die Führungskräfte sitzen weiterhin im Durchschnitt in Deutschland

  • 1 Tag in der Woche in Besprechungen und beantworten oder schreiben
  • 1 Tag in der Woche E-Mails (Quelle: Thomas Jackson, Universität Loughborough).
  • Wir geben uns damit zufrieden, dass in den verwaltenden oder administrativen Bereichen der Anteil der Wertschöpfung bei 50%

verharrt (Quelle: Untersuchung Lean Management Institut).

So werden wir unsere Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland nicht halten können.

Wir müssen das Thema Entlastung der Führungskräfte konsequent angehen. Obwohl es schwierig ist und jeden Einzelnen fordert. Die Alternative: Unsere Führungskräfte weiter überfordern, Burn Out riskieren, diese Potenziale nicht nutzen – ist keinen Alternative.

2) Produktivitätsverbesserung in einzelnen Abteilungen

Aber was kann ich denn machen, wenn ich in meinem Bereich etwas verändern möchte?

In der Fertigung ist es leicht. Da kann ich 5S einführen, kann optimieren, KANBAN-Regelkreise aufbauen, Rüstzeiten verkürzen und Wertströme optimieren.

Aber was kann ich denn in den einzelnen Abteilungen zum Beispiel im Vertrieb oder im Controlling oder in der Entwicklung oder dem Personalbereich machen?

Natürlich können Sie auch in Ihrem Bereich die Führungskräfte entlasten. Sicher nicht 15 – 20%, doch auch 5 – 10% Entlastung hilft den Führungskräften. Um in den einzelnen Abteilungen Produktivitätsverbesserungen von 10 – 15% zu heben, haben wir eine Systematik entwickelt, die diese innerhalb der Abteilungsgrenzen erschließen kann und diese kundenorientierter arbeiten lassen.

Das zentrale Element dieser Optimierung bildet unser neu entwickeltes Abteilungscockpit.

Hat man in seinem Bereich Ordnung geschaffen und die Teilprozesse optimiert, kann man dann die Ansprüche auch an die angrenzenden Bereiche formulieren und bei deren Optimierung einfordern.

Aber sicher erst dann.

Doch glauben Sie mir, es wird sich herumsprechen, dass es in dieser Abteilung keinen Stress mehr für die Führungskräfte gibt und Sie spüren, dass Sie entlastet worden sind und die Mitarbeiter mit Ihrem optimierten Prozess jetzt motivierter, schneller und besser arbeiten können.

In der nächsten Wiegands Warte werden wir schildern, wie Sie weitere Potenziale heben können.

Bleiben Sie uns gewogen – bleiben Sie Lean.

Ihr Bodo Wiegand

Zu Teil 2 – was ist los in deutschen Unternehmen?

Unsere neuen Bücher:

Der Weg aus der Digitalisierungsfalle: Mit Lean Management erfolgreich in die Industrie 4.0

Wiegands Warte – Die Lean-Kultur in deutschen Unternehmen. Ein Einblick.

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