Wie de-motiviere ich meine Mitarbeiter – 2 Beispiele (Teil 1)

Erstes Beispiel

Lean Administration in den indirekten Bereichen wird für viele Unternehmen immer wichtiger. Der wertschöpfende Anteil in diesen Bereichen liegt im Durchschnitt unter 50% und dies bei dem allseits attestierten Fachkräftemangel und Überlastung der Führungskräfte und Mitarbeiter. Große Potenziale sind dort zu holen – wenn man es richtig macht!

Da wir das Thema Lean Administration vor 12 Jahren als erste weltweit entwickelt haben, werden wir häufig zu Gesprächen eingeladen. So war ich letzte Woche bei einem Unternehmen, das einen neuen Anlauf in Bezug auf die Optimierung ihrer indirekten Bereiche nehmen wollte.

Wie immer haben wir vorher einen Rundgang unternommen. Nach dem 3. sehr aufgeräumten Büro habe ich dann den Mitarbeiter direkt befragt.

Er erzählte dann im Beisein des Vorstandes ganz freimütig, dass eines Tages dann 2 Leute mit Kartons gekommen wären und alles aus seinem Zimmer rausgeräumt hätten. Unter anderem seinen Kühlschrank, seine Kaffeemaschine, seinen Drucker, um dessen Anschaffung er 2 Jahre gekämpft hatte, Fotos seiner Frau und seiner Kinder, persönliche Sachen aus den Schubladen und natürlich seine Akten.

Die Ansage war dann

  1. Den Kühlschrank, die Kaffeemaschine und seine persönlichen Sachen bis auf ein Bild könne er sich morgen am Versand abholen.
  2. Der Drucker würde eingezogen, es gäbe ja einen auf der Etage.
  3. Der Aktenschrank würde durch ein Sideboard ersetzt, in den nur 10 Aktenordner passen würden. Er solle also die wichtigsten Sachen raussuchen. Die anderen kämen ins Archiv samt Schrank.
  4. Der Platz für den Rechner müsse markiert werden und mehr als 2 Schreibgeräte bräuchte er nicht.

Der Mitarbeiter war völlig frustriert und demotiviert.

  1. Er müsse jetzt 10 – 20 mal am Tag zum Drucker laufen,
  2. 3 – 4 mal am Tag ins Archiv runter gehen, da er in alten Akten die gerade zu bearbeitenden Fälle recherchieren müsse,
  3. in die Kantine, um sich einen, wie er sagte, anständigen Kaffee zu holen und
  4. er können sich kein Essen mehr mitbringen, da der viel zu kleine Kühlschrank in der Teeküche voll und nicht benutzbar wäre.

Nun, der Vorstand viel aus allen Wolken und erklärte: „Das beratergestützte Lean-Team hätte ihm ein Konzept Lean in den indirekten Bereichen vorgestellt. Tatsächlich mit den Eckpunkten

  • 5S im Büro konsequent umsetzen,
  • keine elektrischen Geräte in den Büros (Energieverschwendung),
  • überflüssiges Entfernen (Material und Platzverschwendung).

Dies hätte er genehmigt und darüber hinaus eine Kaffeemaschine je Teeküche. Dass das dann so gehandhabt wurde. Er hatte keine Ahnung. Mit 5S in der Produktion hatten sie mit Erfolg umgesetzt und dann auch die Wertströme optimiert.

Wir sind dann in eine Teeküche gegangen. Ein gehöriger Saustall schlug uns entgegen. Der Kühlschrank voll mit alten abgelaufenen Milchprodukten, verschmutzten Regalen und nicht identifizierbaren Getränken – einfach nur ekelich.

Nun verstand er den Widerstand, der ihm überall entgegenschlug, wenn das Thema Lean in den indirekten Bereichen erwähnt wurde und die Menschen, die unter diesem völlig falschen und absolut inakzeptablen Verständnis von Lean gelitten hatten.

Wir haben dann besprochen, wie man nach solch einem Desaster die Kuh wieder vom Eis bekommen könnte.

Vielleicht lehnen Sie sich jetzt einen Augenblick zurück und versetzen sich in die Situation des Vorstandes.

Nun, was hätten Sie gemacht?

Da ich davon ausgehe, dass Sie den Mitarbeiter als wertvollen Teil Ihres Führungsteams sehen, würden Sie sicher nicht auf die Idee gekommen sein, Lean im indirekten Bereich mit einer solchen, die Privatsphäre Ihrer Mitarbeiter verletzenden, Initiative zu starten. Oder haben Sie bei Ihrer 5S-Initiative auf dem Shopfloor die Spinte der Mitarbeiter geöffnet, die Plakate der netten Mädels zerrissen und alles ausgeräumt, was sich darin befunden hat?

Aber genau dies haben diese Falschversteher von Lean gemacht. Natürlich geht es nicht, dass jeder Mitarbeiter seine Geräte mitbringt. Doch wenn ich das nicht möchte, muss ich zumindest gewährleisten, dass jeder Mitarbeiter ein Fach im Kühlschrank hat, in das er seine Essenssachen sauber lagern kann und er sich einen anständigen Kaffee machen kann.

Was den Drucker angeht, sollte man die Art und Anzahl der täglich gemachten Kopien darüber entscheiden lassen, wer einen persönlichen Drucker erhält und wer nicht. Hier sollte es einheitliche Regeln und Standards geben, die z.B. für Großraumbüros wieder ganz anders aussehen können. Diese Regeln sollte mit den betroffenen Mitarbeitern besprochen und abgestimmt werden.

Was den Vorstand angeht, ist sein Verhalten nicht zu akzeptieren.

Wenn der Vorstand eine 5S-Aktion im indirekten Bereich initiiert – warum in alles in der Welt kontrolliert er es dann nicht und stellt sich mal eine Stunde dazu oder nimmt sich eine Stunde Zeit, die Mitarbeiter danach zu fragen, wie es war? Denn er ist für seine Mitarbeiter verantwortlich und muss seine Entscheidungen danach prüfen, wie diese umgesetzt werden und wie seine Mitarbeiter seine Anweisungen umgesetzt und gelebt haben.

Bleiben Sie uns gewogen – bleiben Sie Lean.

Ihr Bodo Wiegand

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