24/7-Erreichbarkeit – Ein Armutszeugnis des Managements

Im Sommer war ich in den USA und habe mich gewundert, warum die Amerikaner im Meer oder im Pool stehen und nicht schwimmen. In einem Pool war sogar schwimmen verboten!

In der letzten Woche ist es mir dann wie Schuppen von den Augen gefallen. Amerikaner müssen immer erreichbar sein. 24 Stunden, 7 Tage die Woche.

Die Managementkultur in amerikanischen Unternehmen erwartet, dass die Manager immer erreichbar sind. Das strahlt Dynamik, Managementqualität, Modernität und Wichtigkeit aus. Manager werden dort ständig unter Druck gehalten und „gechallanged“. Wenn Sie das und das nicht erreichen, bricht das Unternehmen zusammen. Dies führt zu operativer Hektik, zu Zahlengläubigkeit und langfristig schlicht zur Überforderung der Mitarbeiter. Die Menschen, die das nicht aushalten, fallen mit Burn Out-Syndrom oder Herzinfarkt aus – sind eben keine „strong business guys“ und ein bisschen „fall out“ muss man eben in Kauf nehmen, oder?

Diese Spezies arbeitet also auch an Wochenenden, im Urlaub und ist Tag und Nacht für das Unternehmen da. Diese 24/7 Manager haben große Bilder von Ihrer Familie auf dem Schreibtisch und sagen meist: „Family ist the most important thing in my live“ – toll, oder?

Ich behaupte ja, dass sie die Bilder auf dem Schreibtisch haben, damit Sie diese noch erkennen, wenn sie nach Hause kommen – sorry.

Aber auch in deutschen Unternehmen wird diese Managementmethode immer mehr Mode, aber warum?

Schauen wir hinter die Kulissen. Warum brauche ich hektische Entscheidungen, warum brauche ich Manager, die jederzeit eingreifen und Situationen managen müssen? Ich brauche sie nur dann, wenn ich mich nicht auf meine Mitarbeiter oder meine installierten Prozesse verlassen kann, ihnen nicht traue, Fehler beheben muss und deshalb alles unter Kontrolle haben will.

Wenn wir so in der Produktion arbeiten würden, bräuchten wir Heerscharen von Qualitätsmanagern. Aber dort arbeiten wir nicht so, dort gibt es detailliert beschriebene Prozesse, dort werden Fehlervermeidungsstrategien entwickelt, wenn Fehler aufgetreten sind, dort wird ständig verbessert und die Prozesse weiter optimiert.

Warum in den administrativen Abläufen nicht? Warum haben wir da meist keine fest installierte, standardisierte Prozesse, Arbeitspläne, Qualitätskontrollen, Fehlervermeidungsstrategien? Vielleicht weil wir meinen, dort ist das nicht nötig, dort arbeiten hochqualifizierte Menschen, die keine Fehler machen.

Vor 30 bis 40 Jahren haben wir das auch in der Produktion geglaubt. Da haben wir Qualität in Prozent gemessen. Heute messen wir in „parts per million“ und nähern uns der 100 – 0 ppm.

Für mich heißt das, wir müssen dringend unsere Hausaufgaben machen und unsere Verwaltungs- und administrativen Aufgaben sowie die Dienstleistungs- und Serviceprozesse industrialisieren und so wie in der Produktion organisieren. Dort winken nicht nur 20 – 30 %ige Effizienz- und Effektivitätssteigerungen, dort winken höhere Qualität der Leistung, weniger Fehler, weniger Managementkapazitäten, ruhiges, kontinuierliches Arbeiten, ressourcenschonende Bewältigung von Aufgaben ohne Hektik und künstliche aufgebaute Stressfaktoren. Das heißt: ohne 24/7.

Machen wir also unsere Hausaufgaben und lassen uns nicht auf eine Menschen- und gesundheitsverachtende 24/7-Managementphilosophie ein, die nur Hektik, Burn out und Herzinfarkte produziert und damit nichts als Verschwendung produziert und dies vom wichtigsten Gut, was wir haben, nämlich die Verschwendung von Human Ressources.

Bleiben Sie uns gewogen – bleiben Sie Lean.

Ihr Bodo Wiegand

P.S.: Ich darf Sie nochmals an unseren Lean Management Summit in Berlin vom 24. bis zum 26. Oktober erinnern – noch sind einige Plätze frei, auch für Nicht-Experten.

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