Einwurf: Ein wirklich gutes Produkt

In meinen Urlaub habe ich ein Produkt gesehen, von dem ich absolut beeindruckt bin. Es wurde in den letzten Jahrzehnten konsequent, strategisch und professionell entwickelt und wird ständig, auch in Zukunft, zu einem absoluten Spitzenprodukt weiterentwickelt. Kundenbedürfnisse wurden aufgenommen und in jeder möglichen Weise berücksichtigt. Eventuell auftretende Probleme im vor hinein identifiziert und gelöst. Absolut professionell vermarktet und gemanagt. In jedem Sinn ein wirkliches Spitzenprodukt.

Sie fragen sich jetzt sicher, was für ein Produkt ist das denn nun.

Es ist eine Stadt – ja eine Stadt – ich rede von Singapur:

Nicht, dass ich dafür Reklame machen möchte, sondern ich war wirklich beeindruckt wie konsequent diese Stadt zu einem Markenprodukt ausgebaut wurde – hier könnten sich wirklich viele Unternehmen etwas abgucken in Bezug auf langfristige Strategieentwicklung, erfolgreiche Umsetzung von Kundenorientierung und Erfüllung von Kundenbedürfnissen.

Nun, wie ist es dazu gekommen? Am Anfang stand die Überlegung, wie kann sich diese Insel zu einem prosperierenden wirtschaftlich gesunden und attraktiven Staat entwickeln. Den Industrien, die man ansiedeln wollte, wurden steuerliche Vorteile gewährt. Der Finanzwelt geringe Gewinnbesteuerung gewährt. Der Tourismus wurde angekurbelt durch den Ausbau des Flughafens, durch die Investition und Subventionierung der Flugpreise, durch die Einrichtung einer zollfreien Zone und durch attraktive Hotelbauten, durch Schaffen von Attraktionen, Museen sowie durch den Ausbau einer ganzen Insel voller Vergnügungsplätzen mit künstlichen Lagunen und Sandstränden, Beachbars, Restaurants und, und, und … Darüber hinaus hat man die Stadt mit drakonischen Straferlässen vor Kriminalität und Drogenkonsum (hier droht die Todesstrafe) sicher gemacht.

Ein weiteres Phänomen, man kennt in Singapur keine Staus. Auch dies wurde strategisch geplant, um die Attraktivität der Stadt zu erhöhen. Drei Maßnahmen haben dies ermöglicht:

  1. 100%iger Importzoll auf Autos.
  2. Das Führen von Fahrzeugen wird nur für 10 Jahre genehmigt, danach muss ein neuer Antrag gestellt werden (Kosten 10.000 €).
  3. Sobald das Verkehrsaufkommen zu hoch wird, wird automatisch auf diesen Straßen eine Maut abgebucht.

Also eine klare Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Kunden, Besucher und der Bewohner von Singapur, ergänzt natürlich durch niedrige Taxipreise und ein perfekt ausgebautes, öffentliches Verkehrssystem, das zum Teil im 5-Minutentakt fährt und Flächendeckung gewährleistet. Der Erfolg, Singapur ist die Finanzmetropole in diesem Teil der Welt. 10 Mio. Touristen besuchen Singapur jährlich mit steigender Tendenz.

Der Ausbau des Produktes wird genauso professionell betrieben. Um weitere Besucher zu generieren entwickelt man Singapur als Standort für Hochleistungsmedizin und Schönheitsoperationen. Dazu baut man Krankenhäuser mit 5 Sternen und Hotelstandard und kauft die notwendigen Topmediziner mit hohen Gehältern ein. Strategie: Gewinnung von potenten Kunden mit viel Geld.

Doch alles würde nicht klappen, wenn nicht auch an die Menschen, die Bewohner, d.h. die Kunden, gedacht werden würde.

Die Beseitigung der Kriminalität, das Thema saubere Stadt (Kaugummi oder Kippe wegschmeißen kostet 400 Euro), das kulturelle Angebot, die Vergnügungsparks, Spielhallen, Museen und Erholungsbereiche sind das Eine aber auch das Schaffen von Lebensräumen in der Stadt oder auf dem Land mit funktionierenden Schulsystemen und Nachbarschaften, Clubs und Sportstätten sowie die steuerlichen Vergünstigungen machen Singapur auch als Lebensmittelpunkt attraktiv.

Marketingaktivitäten wie Formel 1, internationale Sportereignisse, Festivals, etc. tun ihr weiteres dazu. Beeindruckend diese wohl durchdachte und langfristig strategisch aufgebaute Stadtentwicklung mit einer großen Effizienz in der Beherrschung der Komplexität.

Nun steht die Frage im Raum: „Und warum können wir das nicht“?

Unsere Städte begreifen sich nicht als Produkt oder als Unternehmen sondern als Verwaltung mit politischer Bühne. Die Bewohner unserer Städte werden nicht als Kunden begriffen sondern mehr oder weniger geduldet und verwaltet.

Wann begreifen wir endlich, dass Städte, dass Regionen und wir als Staat mit anderen Städten, Regionen oder Staaten im Wettbewerb stehen und wir lernen müssen, unsere Städte, Regionen und unseren Staat als Unternehmen zu managen und uns endlich davon verabschieden, dass man auf Pump leben kann.

Unsere politische Klasse ist dafür nicht ausgebildet. Sie übt sich in politischen Schlammschlachten und wehrt sich damit erfolgreich gegen Menschen mit unternehmerischem Denken und Verstand. Es gibt Städte wie z.B. Düsseldorf, die jahrelang von einem Unternehmer geführt wurden. Bürgermeister Erwin hat Düsseldorf entschuldet und zu einer attraktiven, aufstrebenden Stadt mit hohem Einwohnerzustrom und Einzugsbereich entwickelt.

Dann schauen Sie nur 30 km weiter nach Wuppertal, eine der höchst verschuldeten Städte Deutschlands, denen nichts besseres einfällt, als die wenigen Attraktionen wie Schauspielhaus und Schwimmbäder zu schließen. Industrieansiedlungen durch hohe Steuern und unattraktive Standorte abzuwehren und angebotene Chancen wie z.B. Outlet-Center auszuschlagen.

Hier wird nichts getan, um die Stadt für die Bürger attraktiver zu gestalten, den Bürgern eine moderne Stadt zu bieten, in der diese sich wohl fühlen können. Nein, hier wird auf hohem Niveau verwaltet und auf die Entschuldigung durch den Staat, also uns, die Bürger gehofft. Ergebnis: die Bürger laufen davon und ziehen z.B. nach Düsseldorf. … und so geht die Spirale nach unten weiter.

Genauso wie in vielen Unternehmen, die keine strategische Weiterentwicklung ihrer Produkte betreiben und keinen richtigen Plan für die Zukunft haben. Vielleicht denken Sie bei der nächsten Strategieklausur an das Produkt Singapur.

Bleiben Sie uns gewogen – bleiben Sie Lean.

Ihr Bodo Wiegand

4 Gedanken zu „Einwurf: Ein wirklich gutes Produkt“

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